Am Rande von Weißwasser befindet sich der idyllisch gelegene Braunsteich. Dort, wo sich im Sommer die Familien im Wasser tummelten oder Bootspartien unternahmen, war im Winter das Domizil einiger junger Burschen, die in einer Straße wohnten, die parallel am Glühlampenwerk Osram entlang führte. Kein Wunder also, dass sie sich die Osramstraße nannte. Ausgerüstet mit Knickebocker, Schirmmütze, Pullover und Spazierstock pilgerten Martin Schulz, Helmut Bertko, Fritz Dutschke und Siegfried Rohrbach zum Braunsteich und holländerten mit angeschraubten Schlittschuhen über die zugefrorene Eisfläche. Sie spielten Eishockey!
Noch gab es keine Spielfeldumgrenzungen, an einen Puck war nicht zu denken. Stöcke und Steine, manchmal ein kleiner Ball, waren die Requisiten. Drei Jahre später, an einem frostigen Dezemberabend 1932, verfolgte der Glasformer Martin Schulz im Kino des Gloria-Palastes in der Wochenschau zwei renommierte Eishockeymannschaften bei der Puckjagd. Dieses Erlebnis weckte in ihm die Begeisterung und mündete in der Idee, dieses moderne Eishockeyspiel auch einmal mit seinen Freunden zu praktizieren. Seine Idee fand nicht gleich ihre Zustimmung. Die wichtigste Frage: Woher sollen wir das Geld für die teure Ausrüstung nehmen?
Aber Not macht erfinderisch. Bei den ersten organisierten Straßenwettkämpfen traten die Jungen aus der Osramstraße mit zusammengebastelten Schienbeinschützern aus Filzstreifen und wattierten Hosen an. Als Spielobjekt diente eine Holzscheibe. Auf Dauer genügten die untereinander ausgetragenen Straßenduelle den vorwärtsstrebenden Jungen aber nicht mehr. Sie suchen nach neuen Wegen, um aus den primitiven Anfängen herauszugelangen. Am 15.Dezember war es dann soweit. Zehn besessene junge Sportfreunde gründeten im Sitzungssaal des Keglerheims in der Gartenstraße die erste Eishockeyabteilung, die sich "EW Eishockey Weißwasser" nannte. Der Initiator Martin Schulz wurde ihr erster Vorsitzender und Kassierer.
Die Anschaffung einer ordentlichen Spielkleidung war vorerst die größte Sorge. Plötzlich glaubte ein Spieler des Rätsels Lösung gefunden zu haben. "Wir legen eine Gemeinschaftskasse an, in der Regel 50 Pfennig." Doch das war nicht so einfach. Die meisten waren Kurzarbeiter im Glasbetrieb. Ihr wöchentlicher Durchschnittslohn betrug 17 Reichsmark. Helmut Bertko war obendrein schon ein Jahr arbeitslos. Seine Freunde ließen ihn nicht im Stich. Solidarität war oberstes Gebot unter Arbeitersportlern. Als sich die Sitzungstür hinter ihnen schloss, glaubten sie einen Weg gefunden zu haben. Eines Tages bekundete der dem Jugendalter entwachsene käufmännische Angestellte Günter Lehnigk seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft. Außer seinen organisatorischen Fähigkeiten machte er sich als Spielertrainer verdient und hatte an der positiven Entwicklung der Mannschaft wesentlichen Anteil.
An einem Sommertag 1933 wurde die Gemeinschaftskasse gesprengt. Lehnigks Weg führte nach Berlin zu Nils Molander. Der Schwede war Gastspieler beim Deutschen Meister Berliner Schlittschuh-Club und obendrein als Handelsvertreter für die Beschaffung von Eishockeymaterial zuständig. Monate voller Erwartung vergingen. Endlich im Herbst trafen Kisten aus Kanada mit dem Firmenzeichen CCM in Weißwasser ein. Lehnigks Keller am Braunsteichweg verwandelte sich zur Freude der Eishockeyspieler in ein Warenlager. Die erste richtige Ausrüstung war endlich da.